EU erweitert Marktmissbrauchsrichtlinie – Systemkrise dauert an

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat am 20. Oktober 2011 eine Reform der Marktmissbrauchsrichtlinie (vgl. MAD, RL 2003/6/EG) vorgeschlagen. Eine Verordnung soll dubiose Geschäftspraktiken auf zunehmend vernetzten Finanzmärkten eindämmen. Barnier hofft zudem, mit schärferen strafrechtlichen Bestimmungen Insiderhandel und Marktmanipulation in den Griff zu bekommen. Die Erweiterung ist der Anfang eines weitgehenden Versuchs einer Systemregulierung (vgl. MIFID). Bis 2012 will Brüssel einen umfassenden Rechtsrahmen erarbeiten, der die geordnete Abwicklung privater Großbanken ermöglicht und das Too big to fail-Problem löst.

Das geltende Recht ist aufgrund des Aufkommens elektronischer Handelsplattformen und des OTC-Handels überholt. Vertrauen in die Märkte ist jedoch eine Grundvoraussetzung ihres Funktionierens, weshalb auch Teile der Finanzindustrie strengere Regeln begrüßen. In der Öffentlichkeit erwecken die Ereignisse seit 2008 jedoch überwiegend den Eindruck regulatorischer Untätigkeit. Es überrascht beinahe schon, dass diese Maßnahmen nur einen Teil von derzeit 38 aktuellen oder geplanten EU-Initiativen zur Verbesserung des Finanzsystems ausmachen. Trotz zahlreicher Aktivitäten – Stresstests, Basel III (CRDIV), EMIR, ESMA, EBA & EIOPA sowie Economic Governance, FTT, EFSE etc. – gestaltet sich die Regulierung entrückter Märkte als schwierig. Entschlossenheit und Effektivität von Regulatoren (intergouvermental agierende, defizitäre Nationalstaaten) sowie die Integrität der zu Regulierenden werden von Kritikerseite in Zweifel gezogen.

Euroschuldenkrise sowie Finanz- und Bankenkrise wirken vor allem über Staatsanleihen- und spezielle Kreditmärkte wechselseitig aufeinander ein. Daher müssen die europäischen Gesetzgeber nach Auffassung des VÖWG unbedingt sicherstellen, dass genügend Kapital vor Ort in die Realwirtschaft fließt. Haben doch öffentliche Erbringer von Dienstleistungen allgemeinen Interesses in der Wirtschaftskrise ihren Wert als Arbeitgeber, regionale Wertschöpfer und Konjunkturstützer erneut unter Beweis gestellt. Eine solche ist derzeit jedoch noch nicht absehbar.

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