VÖWG - Sozial Spezial, No. 7/8 - 2019                       

Ich freue mich, das aktuelle Sozial Spezial des Verbandes der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG) zu präsentieren. Darin finden sich Kurznachrichten mit Relevanz für den Bereich Soziales und Gesundheit.

Gemeinsam mit meinem Team wünsche ich eine angenehme Lektüre!

Heidrun Maier-de Kruijff

 

Beschäftigungs- und Sozialbericht 2019

Die Europäische Kommission hat Anfang Juli den jährlich erscheinenden Europäischen Beschäftigungs- und Sozialbericht 2019 (ESDE) veröffentlicht. Der diesjährige Schwerpunkt des Berichts liegt auf dem Thema der Nachhaltigkeit. Obwohl die EU-Wirtschaft weiterhin wächst, hohe Beschäftigungs- und niedrige Arbeitslosenzahlen sowie eine allgemeine Verbesserung der sozialen Situation verzeichnet werden können, stellen langfristige Phänomene wie alternde Gesellschaften, Globalisierung, technologischer Wandel, Klimakrisen und geopolitische Unsicherheiten die Nachhaltigkeit dieser Erfolge und des sozioökonomischen Modells der EU in Frage. Der Bericht tastet politische Optionen ab, die in der Lage sind, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu erhalten, das Wachstum aufrechtzuerhalten und ihre Vorteile auf die gesamte Bevölkerung der EU und künftige Generationen zu übertragen und gleichzeitig den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu vollziehen. Bis 2030 sollen durch diesen Übergang weitere 1,2 Millionen Arbeitsplätze in der EU entstehen. Laut Bericht könnte ein Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft auch die anhaltende Arbeitsplatzpolarisierung durch Automatisierung und Digitalisierung abmildern, indem Arbeitsplätze auch in der mittleren Gehalts- bzw. Qualifikationsstufe, insbesondere in der Produktion geschaffen werden. Für einen erfolgreichen Übergang ist die Einbindung der sozialen Dimension von Anfang an, z.B. durch Maßnahmen zur Einkommensstützung, von hoher Bedeutung.

 

 

Europäische Arbeitsbehörde (ELA) in der Anlaufphase

Nachdem am 13. Juni 2019 vom Rat Bratislava als Sitz der neuen Behörde festgelegt wurde, befindet sich die ELA nun in der Anlaufphase. Im Juli erfolgten der Launch der offiziellen Homepage sowie ein erster Teil der Stellenausschreibungen, um den Personalstab aufzubauen. Die Europäische Arbeitsbehörde soll Einzelpersonen, Unternehmen und nationale Verwaltungen dabei helfen, faire Bedingungen für Arbeitnehmerfreizügigkeit herzustellen und deren Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen. Bis zur Fertigstellung der Räumlichkeiten in Bratislava wird die Behörde ihre Tätigkeiten von Brüssel ausüben. Die ersten Aktivitäten werden Mitte Oktober mit der ersten Sitzung des Verwaltungsrats und der Vorstellung des Arbeitsprogramms stattfinden. Bis 2024 soll die Behörde ihre volle Einsatzfähigkeit mit etwa 140 MitarbeiterInnen erreicht haben.

 

 

Sozialpolitik in Ursula von der Leyens Agenda.

Ursula von der Leyen will als neue Kommissionspräsidentin in den nächsten fünf Jahren einen verstärkten Schwerpunkt auf soziale Aspekte in der Europäischen Union legen. Die politischen Leitlinien für die kommende Legislaturperiode wurden anlässlich ihrer Wahl am 16. Juli präsentiert. Vereint unter dem Motto "Eine Union, die mehr erreichen will" gliedern sie sich in sechs übergreifende Themenbereiche:

  • A European Green Deal
  • An economy that works for people
  • A Europe fit for Digital Age
  • Protecting our European way of life
  • A stronger Europe in the world
  • A new push for European Democracy

Unter dem übergeordneten Ziel einer "Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht" kündigt von der Leyen insbesondere einen Aktionsplan zur vollständigen Umsetzung der Säule Sozialer Rechte sowie eine Stärkung des Sozialen Dialogs an. Innerhalb der ersten hundert Tage der Legislaturperiode soll etwa ein Vorschlag zu einem Rechtsinstrument vorgelegt werden, das einen fairen Mindestlohn für alle ArbeitnehmerInnen gewährleistet und entsprechend der nationalen Traditionen entweder durch Kollektivvereinbarungen oder Rechtsvorschriften umgesetzt werden soll. Außerdem sollen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Plattformarbeit gesetzt sowie ein Vorschlag zu einem EU-weiten System zur Arbeitslosenversicherung vorgelegt werden. Ebenso im Rahmen der Säule Sozialer Rechte will von der Leyen die vollständige Umsetzung der Work-Life-Balance Richtlinie vorantreiben und eine Europäische Kindergarantie zur Bekämpfung von Armut schaffen, die den Zugang zu fundamentalen Gesundheits- und Bildungsleistungen für jedes Kind sicherstellt. Neben der Weiterarbeit an der Säule Sozialer Rechte wird in der Agenda unter dem Schlagwort "A Union of equality" die Herstellung einer tatsächlichen (Chancen-)Gleichheit als eine der wichtigsten Prioritäten hervorgehoben. So will von der Leyen etwa in den ersten hundert Tagen einen Vorschlag zur Einführung einer verbindlichen Lohntransparenz vorlegen. Desweiteren plant die Kommission einen Vorschlag zu einem neuen Antidiskriminierungs-Rechtsakt.

 

 

Zentrale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Säule Sozialer Rechte in Kraft getreten.

Am 31. Juli 2019 sind die Verordnung zur Einrichtung der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) und die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in Kraft getreten. Beide Rechtsvorschriften zählen zu den wichtigsten Maßnahmen der Juncker-Kommission in Bezug auf den Aufbau eines gerechteren und sozialeren Europas. Die Europäische Arbeitsbehörde soll die faire und wirksame Anwendung der EU-Vorschriften über Arbeitnehmerfreizügigkeit und über die Koordinierug der sozialen Sicherheit gewährleisten. Zu den verbesserten Schutzstandards für EU-ArbeitnehmerInnen zählen unter anderem eine Höchstdauer für die Probezeit zu Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses, eine Mindestplanbarkeit der Arbeit mit angemessenem Vorlauf für die ArbeitnehmerInnen, deren Arbeitszeitplan unvorhersehbar ist (z.B. Arbeit auf Abruf) und Vorschriften, um den Missbrauch von Null-Stunden-Verträgen zu verhindern. Die neuen oder verbesserten Mindeststandards betreffen etwa 200 Mio. ArbeitnehmerInnen in der EU.

Ebenso in Kraft getreten ist am 1. August 2019 die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Zentrale Inhalte der neuen Regelung sind ein garantierter Vaterschaftsurlaub, die Stärkung des bereits bestehenden Anspruchs auf vier Monate Elternurlaub sowie erweiterte Rechte, flexible Arbeitsbedingungen (z.B. Teilzeit-, Gleitzeit- und Telearbeit) zu verlangen. Desweiteren können ArbeitnehmerInnen, die Verwandte oder im selben Haushalt lebende Personen pflegen oder unterstützen, fünf Tage Pflegeurlaub im Jahr nehmen. Die Mitgliedstaaten haben drei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

 

 

Entschließungsantrag zur Stärkung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik im Europäischen Parlament.

Der Berichtsentwurf über Beschäftigungs- und Sozialpolitik in der Eurozone, der am 25. Juli 2019 von der Abgeordneten zum Europäischen Parlament Yana Toom (Renew Europe, Estland) vorgelegt wurde, weist auf einige Schwerpunktsetzungen der kommenden Legislaturperiode im Bereich der Sozialpolitik hin. Eine Reihe von Herausforderungen - demographischer Wandel, steigende globale Handels- und Wirtschaftsverflechtungen, Entwicklungen im Zusammenhang mit Digitalisierung etc. - erfordern ein gemeinsames politisches Handeln der EU-Mitgliedstaaten in der Sozialpolitik, um das Risiko von Armut und mögliche Lücken in  Sozialschutzsystemen erfolgreich zu minimieren. Obwohl die hohe europaweite Beschäftigungsrate von 73,5% positiv zu vermerken ist, hebt der Berichtsentwurf u.a. nach wie vor bestehende Benachteiligungen bestimmter Personengruppen wie Frauen, Menschen mit Behinderung, Krankheit oder Migrationshintergrund hervor.

Von der Europäischen Kommission wird im Berichtsentwurf u.a. gefordert, die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen durch entsprechenden Druck auf die Mitgliedstaaten voranzutreiben. Außerdem werden sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, die Europäische Säule Sozialer Rechte besser umzusetzen -  insbesondere müssen das geschlechterspezifische Pensionsgefälle reduziert und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Pflegeeinrichtungen im Rahmen einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie optimiert werden.

 

 

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