Blackout-Vorsorge

Das Thema Blackout-Vorsorge gewinnt in immer mehr Gemeinden und Städten an Bedeutung. Im Jänner 2020 stellte das Österreichische Bundesheer im Rahmen seiner sicherheitspolitischen Jahresvorschau fest, dass binnen der nächsten fünf Jahre mit einem europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“) zu rechnen ist. Damit gibt es erstmalig eine klare Aussage eines Ministeriums, die auch weitreichende Auswirkungen auf die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen hat. Denn diese sind gem. jeweiligem Landeskatastrophenschutzgesetz für die kommunale Krisenvorsorge und -bewältigung verantwortlich.

Einerseits wurde eine rechtliche Situation klargestellt: Ein Blackout ist ein Risiko. Daher sind die kommunalen Organe rechtlich zu einer Krisenvorsorge und Risikominimierung verpflichtet. Viel schwerwiegender ist jedoch die persönliche Verantwortung, die damit einhergeht. Denn die Bürgerinnen und Bürger werden sehr viele kritische Fragen an die Bürgermeister stellen, wenn wie erwartet, es zu einem derart weitreichenden Ereignis kommen sollte und die Gemeinde nicht ausreichend auf die Bewältigung vorbereitet war. Zwar liegt die Hauptlast bei der Bewältigung bei der Bevölkerung selbst, da niemand derart vielen betroffenen Menschen helfen kann. Jedoch fehlt es bislang an einer wirksamen Risikokommunikation und klaren Aufforderung zur Eigenvorsorge. Diese ist aber wesentliche Voraussetzung, damit überhaupt eine organisatorische Krisenbewältigung greifen kann. Denn auch das Personal der Einsatzorganisationen, Unternehmen oder Kommunen selbst ist oft nicht wesentlich besser aufgestellt, als der Rest der Gesellschaft. So rechnet etwa ein Drittel der Bevölkerung damit, dass sie sich spätestens am vierten Tag nicht mehr ausreichend selbst versorgen kann. Nach einer Woche betrifft das bereits zwei Drittel. Wenn sich aber die Menschen zu Hause in der Krise befinden, weil sie nicht mehr ausreichend zu Essen haben oder die Wasserversorgung ausfällt, werden sie nicht in ihre Organisation kommen, um dort wichtige Aufgaben zu erfüllen. Ein Teufelskreis beginnt sich zu drehen.

Gerade Gemeinden und Städte können durch eine positive Vorbildwirkung am ehesten ihre BürgerInnen zum Mitmachen und zur Eigenvorsorge bewegen. Denn wenn die Gemeindeverwaltung zeigt, dass sie dieses Thema ernst nimmt und auch eine entsprechende Kommunikation durchführt, werden sich auch mehr und mehr Menschen darüber Gedanken machen. Es spricht sich herum. Ein besonders positives Beispiel ist die südoststeirische Stadtgemeinde Feldbach, wo in den vergangenen Jahren sehr viele Maßnahmen gesetzt und auch die Bevölkerung aktiv eingebunden wurde (www.feldbach.gv.at/blackout).

Es gibt immer mehr Gemeinden und Städte, die sich diesem Thema nun annehmen, jedoch ist der Spielraum nach oben noch sehr groß. Dabei reichen einzelne organisatorische Maßnahmen bei weitem nicht aus, vor allem, wenn die Bevölkerung nicht eingebunden wird. Zudem erfolgt in vielen Organisationen nur eine Auseinandersetzung mit der ersten Phase eines Blackouts, also der Zeit des Stromausfalls, was deutlich zu kurz greift. Denn es geht nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathonlauf. Wir sollten erwarten, dass ein breiter Wiederanlauf der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern nicht vor der zweiten Woche beginnen wird. Daher sollten wir uns auf einen zumindest zweiwöchigen absoluten Notbetrieb (Phase 2 und Beginn der Phase 3) einstellen. Das muss aber bereits zu Beginn so eingeplant und durchgeführt werden. Ansonsten werden die Ressourcen nach wenigen Tagen ausgehen. Und hier schließt sich wieder der Kreis zur persönlichen Vorsorge. Denn wenn das notwendige Personal nicht ausreichend selbst vorgesorgt hat, wird es nicht für diese wichtigen Aufgaben des Wiederanlaufes zur Verfügung stehen.


In Feldbach funktioniert die Fernwärmeproduktion auch bei einem Netzausfall. Jedoch nicht die Abnahme in den Häusern, da die Umwälzpumpen nicht funktionieren. Daher wurden nun Servicefahrzeuge der Gemeinde mit stärkeren Lichtmaschinen und Batterien sowie mit einem Wechselrichter ausgestattet. Damit kann nun eine fahrzeuggebundene Notstromversorgung bereitgestellt werden. In den gemeindeeigenen Wohnhäusern wurden bei den Umwälzpumpen einfache Steckverbindungen montiert. Nun kann einfach mit normalen Verlängerungskabeln die Notstromversorgung zwischen Auto und Pumpe hergestellt werden. Im rollierenden Betrieb kann damit sichergestellt werden, dass die Häuser nicht auskühlen. Zudem kann mit den aufgerüsteten Servicefahrzeugen ein verbesserter Alltagsbetrieb bei Reparaturarbeiten sichergestellt werden. Ein wunderbares Beispiel, wie mit einfachen Überlegungen ein mehrfacher Mehrwert geschaffen werden kann.Wie sich immer wieder zeigt, gibt es durchaus viele Ressourcen auf lokaler Ebene, die einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung leisten können. Jedoch sind diese in der Krise nur dann abrufbar, wenn das organisatorisch und personell bereits jetzt vorbereitet wird. Verdorbene Lebensmittel sind etwa unwiederbringlich verloren und schaffen zudem ein zusätzliches Sicherheitsrisiko. Oft sind nur wenige aber trotzdem unverzichtbare Vorbereitungen notwendig. Diese beginnen immer mit einem Gespräch oder einem gemeinsamen Workshop mit den unterschiedlichen Akteuren. Die Menschen sind durchaus kreativ, wenn sie einmal verstanden haben, um was es hier wirklich geht und was alles auf dem Spiel steht.

Wie sich ebenfalls in Feldbach gezeigt hat, wird häufig die Problematik bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung unterschätzt. Zu Projektbeginn stellte sich heraus, dass bei einem längeren Stromausfall wahrscheinlich binnen 24 Stunden rund 400 Keller durch Kanalabwässer überflutet werden. Eine Bedrohung, die wohl viel zu wenig beachtet wird. Mittlerweile wurden 43 von 46 Pumpstationen mit einer Notstromeinspeisemöglichkeit ausgestattet und mobile Notstromaggregate angeschafft. Nun kann im rollierenden Betrieb die Wasserver- und Abwasserversorgung im Gemeindegebiet aufrechterhalten werden.

Bei der Wasserversorgung kommt es bei einer genaueren Überprüfung häufiger zu bösen Überraschungen. Wenn aber die Wasserversorgung ausfallen sollte, wird es sehr rasch kritisch. Die Menschen können die Toiletten nicht mehr benutzen. Und wenn die Rohre einmal lehrlaufen, drohen durch Unterdrücke Rohrbrüche und langwierige Reparaturen. Zumindest aber müssen Lufteinschlüsse aufwendig behoben werden. Zudem könnten Ablagerungen abblättern und die Siebe verstellen.

Eine andere Beobachtung ist, wie sich auch in Feldbach gezeigt hat, dass man sich gerne auf Einzelaussagen verlässt. Etwa, wenn der vorgelagerte Wasserverband seine Hausaufgaben gemacht hat, aber in der Gemeinde noch zusätzliche Drucksteigerungsmaßnahmen notwendig sind und diese bisher nicht bedacht wurden. In einer Kette entscheidet jedoch immer das schwächste Glied, ob etwas funktioniert, oder doch nicht. Daher ist eine gesamtheitliche Betrachtung unverzichtbar.

Eine ähnliche Beobachtung gibt es bei Treibstoffvorräten, wo meistens vom theoretischen Tankinhalt und selten von der Minimalmenge gesprochen wird. Die Differenz ist aber häufig gravierend. Daher geht es auch immer darum, die richtigen Fragen zu stellen. Denn der Hund liegt sehr oft im Detail.

Ein Blackout ist nicht wie viele andere bisherige Ereignisse aus der Bewegung zu bewältigen. Dazu sind die erwartbaren Auswirkungen und Einschränkungen zu massiv. Es gibt weder eine Hilfe von außen noch kann ohne der üblichen Telekommunikationsversorgung (Handy, Festnetz, Internet) ausreichend kommuniziert werden, um etwas zu organisieren. Alles was nicht bereits jetzt vorbereitet und vorgehalten wird, wird in der Krise nicht zur Verfügung stehen oder nur unter einem erheblichen Aufwand möglich sein.

Seit Herbst 2019 steht allen steirischen Gemeinden eine vom Zivilschutzverband Steiermark herausgegebene Blackout Arbeitsmappe für Gemeinden zur Verfügung. Mit dieser können die Gemeinden und Städte in einer angeleiteten Form eine ganzheitliche Bearbeitung durchführen. Derzeit laufen noch Verhandlungen, ob diese Arbeitsmappe auch in anderen Bundesländern übernommen wird. In Anbetracht der enormen Herausforderungen sollte eine solche Arbeitsmappe allen Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, damit eine rasche und unbürokratische Auseinandersetzung auf breiter Basis beginnen kann. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Sie wird aber immer zu kurz sein. Trotzdem ist der erste Schritt oft der schwierigste, aber auch wichtigste. Beginnen wir JETZT. Wir können eine solch unfassbare Krise als Gesellschaft nur dann überstehen, wenn wir eine ganzheitliche Vorsorge treffen und sie gemeinsam bewältigen. Auch wenn wir hoffen, dass es nicht soweit kommen mag, sollten wir nicht blauäugig sein. Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel.

 

Weiterführende Informationen:

Leitfaden „Blackout-Vorsorge in der Gemeinde“: www.saurugg.net/gemeinde

 

Autor:

Herbert Saurugg ist über die Grenzen Österreichs hinaus als Blackout-Experte bekannt und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge. Er hat bereits zahlreiche Gemeinden bei der Blackout-Vorsorge unterstützt und viele Erfahrungen gesammelt.